Die Kreislaufwirtschaft als Wegbereiter des Klimawandels
Corrado Gaudenzi, Head of Long Term Sustainable Strategies bei Eurizon
Das derzeitige Produktions- und Verbrauchermodell könnte künftige Generationen gefährden, da die weitere Nutzung von nicht erneuerbaren Rohstoffen in den kommenden Jahrzehnten zu einer massiven Erschöpfung der natürlichen Ressourcen führen könnte. Angesichts dessen erkennen öffentliche Regulierungsbehörden und private Organisationen die mangelnde Nachhaltigkeit des derzeitigen Wirtschaftsmodells an. Sie sind sich einig, dass die einzige Möglichkeit, diesen Trend umzukehren und die wirtschaftliche Entwicklung von der Belastung der Ressourcen und der Umwelt loszulösen, darin besteht, den Übergang von einer linearen Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Die meisten Produktionsprozesse von Waren und Dienstleistungen sind heute mit erheblichen Umweltkosten verbunden. Die Kreislaufwirtschaft wurde mit dem Ziel geschaffen, diese Kosten zu minimieren und die Optimierung von Materialien und Abfällen durch die Verlängerung ihrer Nutzungsdauer zu fördern – kurz gesagt, ein System, das die vorhandenen Ressourcen nutzt und den von uns erzeugten Abfällen ein neues Leben gibt.
Wir sind daher der Ansicht, dass eine Investition in die führenden und auf diesen Wandel ausgerichteten Unternehmen bedeutet, sich auf Unternehmen zu konzentrieren, die aufgrund ihrer Fähigkeit, Markttrends zu antizipieren, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten haben. Mittel- bis langfristig ist zu erwarten, dass die führenden Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft stabilere Gewinne und Cashflows sowie eine höhere Kundenbindung erzielen werden.
Kreislaufwirtschaft beschreibt eine Wirtschaft, in der Produkte und Ressourcen im Gebrauch bleiben und in der Abfälle sowie Verschmutzung durch ein neues Produktions- und Konsumverhalten auf ein Minimum reduziert werden, mit dem Ziel, das Naturkapital zu regenerieren.
Ein globaler Übergang zum Naturkapital ist notwendig, um eine unumkehrbare Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zu vermeiden und das Ziel, bis 2050 keine Netto-Kohlenstoffemissionen zu verursachen, zu erreichen. Darüber hinaus ist es auch klar, dass Vermögensverwalter eine doppelte Rolle bei der Unterstützung der Kreislaufwirtschaft spielen müssen: erstens als aktive Investoren, indem sie die Unternehmen bei der Einführung der Kreislaufwirtschaft unterstützen. Und zweitens, indem sie die voraussichtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft in ihre Anlageprozess einbeziehen. Leider kollidiert diese Rolle mit dem Fehlen einer gemeinsamen Taxonomie und von Kennzahlen. Obwohl Unternehmen, Aufsichtsbehörden und Finanzindustrie wichtige Schritte zur Schaffung gemeinsamer Standards im Bereich der Nachhaltigkeit unternommen haben, wurde diese noch nicht aus einer Anlegerperspektive auf die Kreislaufwirtschaft angepasst.
Eurizon trägt zu diesem Dialog bei, indem wir ein Rahmenkonzept vorschlagen, das wir seit 2021 intern entwickelt und umgesetzt haben. Es basiert auf einer Analyse der Unternehmen des MSCI ESG World Index, wobei der Schwerpunkt auf Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in den Industrieländern liegt. Unser Ansatz ist modular und adaptierbar, da er den Grad der Kreislaufwirtschaft von Unternehmen über drei Dimensionen bewertet: den Produktionsprozess, das Geschäftsmodell und die Qualität der ergriffenen Initiativen. Wir verwenden ausschließlich öffentlich zugängliche Daten, so dass unser Ansatz replizierbar und auf jedes Produktionsunternehmen anwendbar ist. Aus unserer Untersuchung ergeben sich zwei Hauptergebnisse: Unternehmen, die sich für Kreislaufwirtschaft engagieren, konzentrieren sich derzeit auf die Umgestaltung des Produktionsprozesses. Im Gegensatz zu den anderen beiden Dimensionen, obwohl auch neue Geschäftsmodelle ins Leben gerufen werden. Auf einer Skala von 0 bis 10 liegt der durchschnittliche Grad der Kreislaufwirtschaft westlicher Großunternehmen bei nur 0,6. Der Grad der Kreislaufwirtschaft beträgt demnach nur etwa 6 %. Das deutet darauf hin, dass wir erst am Anfang dieser Reise stehen und es noch viel Raum für weitere Verbesserungen gibt.
Die Methodik zur Schätzung des Circularity Score von Unternehmen ist das wichtigste Element unserer Strategie zur Ermittlung der führenden Unternehmen des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft.