„Die Silicon Valley Bank wird nicht das letzte Institut sein, das in Nöte gerät“

Ariel Bezalel ist Head of Strategy im Fixed Income Team bei Jupiter Asset Management. Er managt den Jupiter Dynamic Bond-Fonds. Im Interview spricht er über eine mögliche Bankenkrise und inwiefern sein bei Anlegern beliebter Fonds davon betroffen ist.

Herr Bezalel, ist es gerechtfertigt, dass am Markt nach wie vor die Befürchtung einer Bankenkrise die Runde macht?

Ich glaube, man muss in diesem Zusammenhang durchaus differenzieren. Was den europäischen Bankensektor angeht, hat natürlich die Entwicklung rund um die Übernahme der Crédit Suisse durch ihren Wettbewerber UBS für eine durchaus gerechtfertigte Unruhe gesorgt. Nicht zuletzt, weil speziell Investoren in bestimmte Nachranganleihen – sogenannte Additional-Tier-1-Anleihen, abgekürzt AT1-Anleihen – in gewisser Weise benachteiligt wurden im Vergleich zu Aktien-Anlegern. Letztere haben immerhin einen gewissen Rückfluss auf ihr investiertes Kapital erhalten, während die Käufer von AT1-Bonds am Ende leer ausgegangen sind, weil sie ihr Investment abschreiben mussten. Das wird wahrscheinlich schon Auswirkungen auf den Gesamtmarkt und die Wirtschaft insgesamt haben.

Inwiefern?

Wenn es aufgrund der beschriebenen Situation um die Crédit Suisse insgesamt zu einem Repricing des Bereichs der Nachranganleihen kommt, dann wird das Auswirkungen auf die Kreditfinanzierung von Unternehmen insgesamt haben, weil deren Kosten entsprechend steigen werden. Und eine entsprechend zu erwartende Zurückhaltung bei der Kreditnachfrage dürfte wiederum auf Seiten der Banken nicht ohne Auswirkungen auf deren Erträge aus dem Kreditgeschäft bleiben. Andererseits ist die CS-Übernahme durch die UBS eher eine Art Spezialfall, und es wäre übertrieben, aus dieser Entwicklung gleich auf eine Krise des gesamten Bankensektors in Europa zu schließen, der insgesamt vergleichsweise gut und stabil finanziert ist.

Was man aber doch vom US-Bankensektor nicht behaupten kann?

Das ist richtig. In den USA macht sich der insgesamt stärker als erwartet ausgefallene Rückgang der Konjunktur gerade auch im Bankensektor, speziell bei kleineren Regionalbanken bemerkbar. Auf der einen Seite drosseln Banken ihr Kreditgeschäft aufgrund struktureller Probleme der Immobilienbranche. Im Bürobereich sind es steigende Leerstände, im Shoppingbereich die zunehmenden Kaufzurückhaltung der Menschen, die Sorgen machen. Hinzu kommt eine nach wie vor inverse Zinsstruktur, die sich ungünstig auf das Bankgeschäft auswirkt.

In welcher Hinsicht?

Stark vereinfacht gesagt, besteht das Geschäft von Banken in einer Kombination aus einem kurzfristigen Einlagengeschäft auf der einen Seite und einer langfristigen Kreditvergabe auf der anderen Seite. Eine inverse Zinsstruktur, wie wir sie gerade erleben, bei der der kurzfristige Einlagenzins spürbar höher liegt als der langfristige Kreditzins, führt entsprechend fast zwangsläufig zu Problemen bei dieser sogenannten Fristentransformation. Hinzu kommt, dass gerade der Sektor der regionalen Banken in den USA mit gut 4.000 aktiven Instituten deutlich überbesetzt ist. All das zusammengenommen könnte dazu führen, dass eine Silicon Valley Bank oder eine First Republic Bank als den „Protagonisten“ der jüngsten Bankpleiten in den USA nicht die letzten Institute sein werden, die in Nöte geraten.

Inwieweit ist auch Ihr Fonds davon betroffen?

Einerseits hatten wir uns zum Glück schon im vergangenen Jahr sozusagen rechtzeitig von unseren Positionen in Nachranganleihen der Crédit Suisse getrennt. Dass im Zuge dessen auch die Anleihen anderer Banken in Mitleidenschaft gezogen wurden, hat auch uns zum Teil weh getan. Aber die meisten unseren Positionen im Bankensektor sind Institute, die ich als Best in Class bezeichnen würde, und die von daher nur in geringerem Maße von der Entwicklung insgesamt betroffen waren. Zudem waren wir nur zu einem relativ geringen Anteil in Bankanleihen investiert und haben stärker auf defensive Sektoren wie den Pharma- und den Gesundheitssektor oder auch die Telekombranche gesetzt. Wir hatten zudem schon sehr früh unsere Gewichtung in Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten erhöht. Vielleicht etwas zu früh, was sich aber rückblickend im Endeffekt ausgezahlt hat.

Was meinen Sie mit „ausgezahlt“?

Unsere Positionierung für 2023 beginnt sich insofern auszuzahlen, als die Sorge der Marktteilnehmer sich in den kommenden Monaten sehr viel stärker auf das nachlassende Wirtschaftswachstum richten wird. Aus unserer Sicht sind die Zentralbanken derzeit noch viel zu besessen vom Thema Inflation. Das halten wir insofern für falsch, als es eher der Blick in den Rückspiegel ist statt nach vorne zu schauen. Eine hohe Teuerungsrate war im Grunde das Thema des vorigen Jahres. Im Verlauf von 2023 wird es um das Thema Wachstum gehen. Denn die starken Zinserhöhungen zeigen zunehmend ihre Wirkung. Deshalb gehen wir davon aus, dass die amerikanische Notenbank bereits im zweiten Halbjahr die Zinsen wieder senken muss, unter Umständen sogar sehr zügig.

Dennoch, wirklich zufrieden sein mit der Performance Ihres Fonds können doch auch Sie nicht, oder?

Wenn Sie damit auf die Entwicklung im vergangenen Jahr anspielen, dann sind wir natürlich nicht zufrieden mit unserem Anlageergebnis, denn wir haben im vergangenen Jahr schlechter abgeschnitten als der Vergleichsindex und viele Wettbewerber. Mit dem bisherigen Verlauf der Fondsperformance seit Jahresanfang aber sind wir durchaus zufrieden. Mit einem Plus von fast vier Prozent liegen wir nicht nur an der Spitze der entsprechenden Kategorie, sondern auch klar vor der Benchmark und dem Wettbewerb. Insofern erweist sich unsere stark auf den „Risk off“-Modus ausgerichtete Positionierung mit überwiegend sicheren Staatsanleihen nun als durchaus sinnvoll und vorausschauend. Zudem haben wir aktuell die wohl längste Duration erreicht, die wir je in unserem Fonds gehabt haben. Mit 7,5 Jahren ist diese Kennzahl auch deutlich länger als die unserer meisten Konkurrenten. Auch das nicht ohne Grund, denn wir sind von einem überzeugt: Wenn die Rezession kommt, sind langlaufende, sichere Anleihen der Platz, an dem man sein muss.

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