Fünf Fragen an Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel

Herr Mumm, taumelnde Banken und konzertierte Notmaßnahmen der Notenbanken: Wie groß ist die kolportierte Gefahr einer globalen Bankenkrise?

Zweifellos hat die Finanzbranche mit vielschichtigen Auswirkungen der seit dem letzten Jahr drastisch angestiegenen Zinsen zu kämpfen. Allerdings sind sowohl die Bankenpleiten in den USA als auch die Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS vor allem auf individuelle Fehlentwicklungen in den einzelnen Instituten zurückzuführen. Ich halte die Gefahr einer globalen Finanzkrise daher für gering, denn es gibt kein strukturelles Vertrauensproblem im Bankensektor wie im Jahr 2008. Allerdings können in einem hochnervösen Umfeld wie zur Zeit weitere „Unfälle“ passieren, also einzelne Institute in Schwierigkeiten kommen.

Wie steht es um das Krisenmanagement der Zentralbanker? Reicht deren Eingreifen, um eine mögliche Vertrauenskrise abzuwenden?

Wichtig ist, dass alle relevanten staatlichen Behörden an einem Strang ziehen, dazu gehören auch Regulierer und Regierungen. In den letzten Wochen hat das gut funktioniert. Zudem liegt es an den Finanzinstituten selbst, durch eine klare und unmissverständliche Kommunikation sowie im Bedarfsfall eine möglichst hohe Transparenz keine Zweifel an deren Standfestigkeit aufkommen zu lassen.

Einer der wesentlichen Auslöser war die große Zinswende der Zentralbanken. Ist damit schon wieder Schluss mit Zinserhöhungen?

Ich denke nicht. Nach wie vor ist die Inflation in vielen Regionen weltweit viel zu hoch. Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US-Notenbank Fed haben im Zuge der jüngsten Leitzinsanhebungen verdeutlicht, dass sie am Pfad der Inflationsbekämpfung durch einen restriktiveren geldpolitischen vorerst festhalten werden. Zudem haben auch die schweizerische und die britische Notenbank ihre Leitzinsen gerade noch einmal angehoben.

Christine Lagarde warnt vor einer „Tit-for-Tat-Inflation“ und meint damit die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Wie groß ist die Gefahr?

Die Gefahr ist gestiegen. Nachvollziehbarerweise schießen die Forderungen vonseiten der Gewerkschaften in die Höhe, denn Arbeitseinkommen sind gerade in den letzten Jahren real, also nach Abzug der Inflation, überwiegend deutlich gesunken. Hinzu kommt eine allgemein zunehmende Knappheit an Arbeitskräften. Eine gewisse Besonnenheit und ein Gespür für die besondere Situation auf beiden Seiten des Verhandlungstisches ist wichtig, um eine Lohn-Preisspirale zu verhindern. Dazu beitragen können bspw. Einmalzahlungen als Inflationsausgleich oder längere Laufzeiten von Tarifverträgen, die derzeit auch zum Tragen kommen.

Wie sollte ein institutioneller Investor sein Portfolio nun anpassen?

Es kommt darauf an, welche Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Wenn ein bestimmter Rechnungszins gefordert ist, können angesichts deutlich gestiegener Nominalzinsen und Risikoprämien Umschichtungen in den verzinslichen Bereich wieder sinnvoll sein. Wenn es hingegen um den Realkapitalerhalt geht, braucht man aufgrund der tief negativen Realzinsen – da die Inflation deutlich höher ist als die Anleihezinsen – weiterhin eine breite Diversifikation über verschiedene Anlageklassen inklusive Aktien und alternativen Anlagen.

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