Investmentampeln: Monatliche Marktanalyse und Positionierung der DWS
- Auch im September zeigte sich der Markt für Anleger von seiner hässlichen Seite, sowohl mit Renten, als auch mit Aktien ging es weiter bergab, bei weiterhin hoher Volatilität.
- Die Turbulenzen am britischen Kapitalmarkt haben gezeigt, dass Anleger in Zeiten hoher Inflation, hoher Zinsen und restriktiver Zentralbanken wieder auf die makroökonomischen Rahmendaten der Staaten gucken.
- Wir denken, dass die Inflation in Europa ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat und sich zudem noch nicht alle negativen Auswirkungen der so schnell gestiegenen Zinsen gezeigt haben. Doch wenn man nur mit einer leichten Rezession rechnet, kann man nach den Marktkorrekturen auch gute Anlagemöglichkeiten finden.
1 / Marktüberblick
1.1 Großbritannien: Ausreißer oder typisches Beispiel?
Bei allem, was im vergangenen Monat rund um den Globus passierte, stand der September doch vor allem im Bann des Vereinigten Königreichs. Vereint wie selten zeigte es sich beim Thronwechsel, gespalten, wie spätestens seit dem Brexit in auffälliger Regelmäßigkeit, zeigte sich die Tagespolitik. Wobei es für die jüngsten Gräben noch nicht einmal der Opposition bedurfte. Die seit dem 6. September gegen den Willen der konservativen Parlamentsabgeordneten, aber dank der Stimmen der Parteibasis amtierende Premierministerin Liz Truss hat nicht einmal einen Monat gebraucht, um zusammen mit ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng den Antrittsbonus in einen Malus zu drehen, seitdem brodelt es in der Konservativen Partei. Im Anschluss an die Veröffentlichung des „Mini“- Budgets schossen die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen (Gilts) von 3,5 auf über 4,5 Prozent in nur drei Handelstagen, bevor die Bank of England (BoE) sich zum Eingreifen gezwungen sah. Ihr (zumindest laut Ankündigung) unlimitierter Aufkauf 30-jähriger Gilts half auch, das Pfund zu stabilisieren, was zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand gegenüber dem Dollar (GBPUSD: 1,035) in seiner Geschichte gerutscht war. Der Nachtragshaushalt überraschte selbst konservative Politiker, da er breite Entlastungen der Top-Verdiener und Unternehmer vorsah, keine Gegenfinanzierung präsentierte und optimistisch mit einem mittelfristigen Wachstum in Höhe von 2,5 Prozent dank dieser Politik rechnete. Der Chefökonom der Financial Times gab ein harsches Urteil über die neue Regierung ab: “These people are mad, bad and dangerous. They have to go“
Doch es war wohl das gesamte Umfeld, das dazu beitrug, dass Kwarteng dieses Budget so um die Ohren flog. Natürlich war das Pfund schon länger schwach, die britische Inflation schon länger hoch und die Zinsen seit Anfang August im steilen Höhenflug. Dazu kam eine BoE-Sitzung einen Tag vor Kwartengs Rede, die in einer Leitzinserhöhung von nur 50 Basispunkten mündete (EZB und Fed hatten um 75 Basispunkte erhöht). Zudem hielt die BoE an ihrem Plan fest, ihren Anleihebestand in Kürze runterzufahren (im Rahmen des „Quantitative Tightening“ war der Abbau von rund zehn Prozent des Portfolios, etwa 80 Milliarden Pfund, geplant). Da die Gilt-Renditesprünge sofort auf andere europäische und amerikanische Staatsanleihen übergriffen, ist die Vermutung nicht abwegig, dass es den Anlegern nicht nur um das handwerklich missglückte britische Budget ging, sondern dass sie befürchteten, Großbritannien könnte beispielhaft für die Sorgen all jener Länder stehen, die über viele Jahre eine lockere Geldpolitik genossen und nun hohe Inflationsraten zu bekämpfen haben. Und denen nun weiter steigende Staatsschulden blühen, da der sogenannten Lebenshaltungskostenkrise vielfach mit fiskalischen Hilfspaketen begegnet werden soll. Anders ausgedrückt: spätestens seit September müssen sich Politiker damit abfinden, dass Budgetdefizite und staatliche Schuldenquoten vom Kapitalmarkt wieder strenger beäugt werden. Die englischen Medien sprechen vom Comeback der „Bond Vigilantes“, was man frei als „Rückkehr der Rächer der Anleihebesitzer“ übersetzen könnte. Zu spüren bekam das auch Italiens neue Regierung in Spe, der man wohl nicht zu nahetritt, wenn man sie rechts-populistisch und EU- skeptisch nennt. Der Risikoaufschlag auf Italiens Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen schoss auf den höchsten Stand seit Anfang 2020, trotz eifriger Aufkäufe durch die EZB. Wenn nun aber Zentralbanken anfangen, nicht nur die Zinsen zu erhöhen, sondern Anleihen zu verkaufen, statt zu kaufen, kann sich das zu einer gefährlichen Mischung entwickeln.
1.2 Schlechtes Quartal, schlechter Monat, schlechte Woche
Der Monat September ging mit einem Knall zu Ende, sowohl bei Aktien, Anleihen als auch so gut wie allen Währungen, die nicht Dollar hießen. Das Quartal war zweigeteilt. Bis Mitte August erfreute sich die Bärenmarktrally noch guten Schwungs, doch dann kippte die Stimmung, und sowohl Aktien als auch Anleihen fielen auf neue Tiefs. Dass dabei auf globaler Ebene Anleihen mit rund sieben Prozent im Gesamtquartal genauso viel verloren wie Aktien, dürfte für sicherheitsorientierte Anleihebesitzer nur ein schwacher Trost sein. Das Annus Horribilis will für sie einfach nicht vorüber gehen – seit Jahresanfang hat der Bloomberg Global Aggregate Bond Index ein Fünftel an Wert verloren. Angesichts des vorigen geringen absoluten Renditeniveaus, der ungebrochen hawkishenZentralbanker und der immer noch nach oben überraschenden Inflationszahlen kann das aber auch nicht wirklich verwundern. Die Eurozone verbuchte die erste zweistellige Inflationsrate in ihrer Geschichte – 10,0 Prozent Verbraucherpreisinflation für September – und in den USA will die Kerninflation einfach nicht runtergehen – im August stieg sie von 5,9 auf 6,3 Prozent an. Bei diesen Zahlen ist es verständlich, dass die Anleger schlechte Makro-Zahlen stets mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen, hoffen sie doch, dass sich eine schwächere Wirtschaftstätigkeit in niedrigeren Inflationszahlen niederschlägt. So sorgten zum Anfang des Monats Oktober schwache Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Aufträge und Beschäftigungskomponente) in den USA für Optimismus an den Märkten. In der Breite ist am Arbeitsmarkt jedoch immer noch recht wenig vom Abschwung zu erkennen, weder in den USA noch in Europa.
Kommen wir zu den bemerkenswertesten Kursschwankungen im September: 2- und 10-jährige Bundesanleiherenditen sprangen beide über zwei Prozent. Inflationsindexierte 10-Jährige wagten sich kurz ins positive Terrain, womit es also erstmals seit 2014 wieder real was zu verdienen gab. Auch andere 10-Jährige machten von sich reden: die italienischen und britischen sprangen über 4,5 Prozent Rendite, die US-amerikanischen schafften „nur“ 3,99 Prozent, dafür gab es für die 2-Jährigen schon mal 4,3 Prozent. Hoch hinaus ging es auch für den Dollar, der es im dritten Quartal zwischendurch auf ein Plus von fast zehn Prozent brachte. Nicht zuletzt haben auch Unternehmensanleihen im September noch einmal einen guten Sprung bei ihren Renditen gemacht: Für Anleihen ohne Investmentstatus gibt es mittlerweile in den USA fast zehn und in Europa über 8,5 Prozent. Das könnte angesichts der Nervosität der Anleger noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.