Inflations- und Zinsausblick: Wie Anleger ihr Portfolio wappnen können – im Gespräch mit Nordea

Im August lag die Inflationsrate in Deutschland auf einem 40-Jahres-Hoch nahe 9 Prozent. Sébastien Galy, Senior Macro Strategist und Christian Lehr, Senior Product Manager & Head RFP Multi Assets bei Nordea, geben einen Inflations- und Zinsausblick.

Herr Galy, waren die etwas niedrigeren Teuerungsraten der beiden Vormonate also nur so etwas wie eine optische Täuschung?

Der starke Anstieg der Heizöl-/Erdgaspreise und des Stroms ist nach wie vor ein Schock für die deutsche Wirtschaft, dem die Bundesregierung mit einem 65-Milliarden-Euro-Paket zu begegnen versucht. Infolgedessen bleibt die Breakeven-Inflation in zwei Jahren für Deutschland mit sieben Prozent sehr hoch (gegenüber 3,3 Prozent in Frankreich). Die meisten Prognosen verblassen in den nächsten Monaten teilweise aufgrund von Basiseffekten – das ist einfach der Lauf der Zeit.

Source: Nordea Investment Funds S.A. and Bloomberg

Müssen Anleger noch in diesem Jahr mit einem Anstieg in Richtung Zweistelligkeit rechnen?

Das Risiko besteht darin, dass, wenn die EZB weiterhin einen schwachen Euro mit einer laxen Geldpolitik aufrechterhält, die Inflation nicht schnell unter Kontrolle gebracht wird. Denn ein Großteil davon wird aus in Dollar notierten Rohstoffpreisen importiert. Im Laufe der Zeit könnten soziale Bewegungen wie ein Lauffeuer aus dem Nichts auftauchen und sich schnell ausbreiten, was zu einer Spirale der Lohninflation führen würde. Daher ist das von der Bundesregierung vorgeschlagene Paket von 65 Mrd. Euro von großer Bedeutung.

Gleichzeitig signalisiert die amerikanische Notenbank ihre Entschlossenheit zu einer bedingungslosen Bekämpfung der hohen Teuerung. Bringt das die EZB zusätzlich in Bedrängnis?

Die Straffung der Fed spielt eine Rolle, da sie den Euro schwächt und die Eurozone dazu veranlasst, etwas Inflation zu importieren. Der Trick für die EZB besteht darin, den Euro stärker unter Druck zu setzen, ohne in die Falle einer übertrieben strafferen Geldpolitik zu tappen – eine schwierige Aufgabe, wenn die Fed so schnell strafft. Die EZB wird hoffen, dass sich die globale Nachfrage schnell genug verlangsamt, damit der globale Inflationsdruck nachlässt. Für die EZB ist dies eine wirklich schwierige Phase, da sie bereits die Subprime-Krise nicht hatte kommen sehen. Zudem war Sie von der Krise in der Eurozone überrascht worden und hat die Folgen einer zu lockeren Geld- und Fiskalpolitik während der Covid-19-Krise nicht vorhergesehen. Die Zeit wird es zeigen, aber die EZB sollte diesen Kampf gegen die Inflation gewinnen, indem sie die Geldpolitik schneller strafft, als wir erwarten.

Müssen sich Investoren dadurch auf eine schnellere und steilere Erhöhung der Zinsen einstellen?

Ja, die EZB wird die Zinsen wahrscheinlich schneller und höher anpassen, als derzeit erwartet.

Herr Lehr, wie sollten Anleger kurz- und mittelfristig auf die Entwicklung reagieren, um ihr Portfolio möglichst abzusichern?

Im bisherigen Jahresverlauf haben wir gesehen, dass die Korrelation zwischen traditionellen Anlageklassen deutlich angestiegen ist und der Ausverkauf sowohl den Aktienmarkt aber auch die Bereiche Credit- und Duration im Rahmen des festverzinslichen Spektrums in nahezu gleichem Ausmaß erfasst hat. Dies bedeutet, dass Anleger sich in einem Dilemma befinden: Einerseits steigt die Notwendigkeit der Portfoliodiversifikation, andererseits zeigen traditionelle Diversifikationswerkzeuge wie bspw. hoch-qualitative Staatsanleihen nicht mehr das Diversifikationspotential, wie Anleger es aus der Vergangenheit gewohnt waren.

Liquide alternative Anlagelösungen auf Basis von alternativen Risikoprämien gewinnen somit gegenüber traditionellen Anlagen an Bedeutung und können eine attraktive Lösung darstellen, um den Diversifikationsgrad von Anlegerportfolios auch im aktuell schwierigen Marktumfeld zu erhöhen.

Bieten sogenannte Inflation Linked Bonds in dieser Phase tatsächlich einen wirksamen Schutz?

Unser Ansatz ist es, den Blick über einzelne Anlageklassen hinaus zu richten, um von ausgewählten Risikoprämien (sowohl traditionellen wie auch alternativen) zu profitieren. Anstatt der singulären Konzentration auf einzelne Anlageklassen nutzen wir somit eine Vielzahl von breit diversifizierten alternativen Renditequellen, um höhere risikoadjustierte Erträge im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen zu erzielen. Wir vertreten die Auffassung, dass sich mit einer derart breiten Palette an unterschiedlichen Risikoprämien ein innovatives und optimal ausgerichtetes Investmentportfolio zusammenstellen lässt, das die Kundenerwartungen erfüllt.

Sollte die Inflation und/oder eine potenzielle Rezession das Portfolio treffen, erwarten wir, dass einige unserer alternativen Risikoprämien mit dem aktuell höchsten Überzeugungslevel innerhalb unserer Portfolios – wie etwa die Strategie der sog. Low-Risk-Anomalie – auch weiterhin eine ähnlich starke Wertentwicklung wie in den vergangenen Monaten zeigen können.

Für welche traditionellen Assetklassen sehen Sie im aktuellen Umfeld überhaupt noch Chancen und wie stellen Sie sich als Fondsmanager in diesem turbulenten Marktumfeld auf?

Aktien schneiden in einem inflationären Umfeld normalerweise gut ab. Das nominale Gewinnwachstum steigt mit einer höheren Inflation tendenziell an, unter der Voraussetzung, dass die Unternehmen zumindest einen Teil der steigenden Kosten durchreichen können.

Wir glauben, dass dies insbesondere für unsere stabilen Aktien innerhalb des Portfolios gilt.
Die zugrunde liegende Qualität unserer Aktien und die attraktiven Bewertungen sowohl aus absoluter wie auch aus relativer Perspektive im Vergleich zum Gesamtmarkt unterstützen diese Ansicht. Unsere Unternehmen erzielen weiterhin, wie in der Vergangenheit, ein attraktives und stabiles Gewinn- und Dividendenwachstum, was sie zu einer guten Investmentopportunität macht – insbesondere in einem reflationären Marktumfeld. Somit sind unsere Stabilen Aktien aufgrund ihrer guten Preissetzungsmacht besonders gut positioniert, was es ermöglicht, den Margendruck besser zu bewältigen, während gleichzeitig die Inflation das Umsatzwachstum ankurbeln kann. Zusätzliches bieten sie ein multiples Faktorexposure zu den Aktienmarktfaktoren Value, Quality und MinVol, was für zusätzliche Stabilität im aktuellen Marktumfeld sorgen kann.

Im Bereich der Anleihen sehen wir mit den steigenden Zinsen des bisherigen Jahresverlaufs außerdem zunehmend attraktiver werdende Durationsprämien. Insgesamt sehen wir aber auch weiterhin starken Bedarf an alternativen defensiven Risikoprämien, die auch unabhängig von der klassischen Duration für Diversifikation im Gesamtportfoliokontext sorgen können.

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