Schreckgespenst Stagflation

Warum sich Anleiheinvestoren keine langfristigen Sorgen machen müssen

Von Ariel Bezalel, Head of Strategie Fixed Income, und Harry Richards, Fondsmanager des Jupiter Dynamic Bond.

Anleiheinvestoren haben sich in diesem Jahr bereits mit unzähligen Herausforderungen konfrontiert gesehen – von niedrigen Zinsen über eine steigende Inflation bis hin zu sehr engen Spreads. Jetzt droht das nachlassende globale Wachstum in eine Stagflation überzugehen. Zu einer Stagflation kommt es, wenn sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, die Arbeitslosigkeit steigt und die Inflation hoch bleibt.

Für Anleger ist das ein bedrohliches Szenario, da es zu einem Teufelskreis führt, in dem der durch die Inflation gedämpfte Konsum zu rückläufigen Unternehmensgewinnen und damit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Ich halte die Stagflation für ein kurzfristiges Risiko, aber nicht für einen langfristigen Sorgenfaktor für Anleger. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Inflation nur vorübergehend erhöht ist und wieder sinken wird.

Fundamentale Kräfte halten die Inflation im Zaum

Ich sehe aber auch starke strukturelle Faktoren, die die Inflation im Zaum halten werden. Dazu gehören: die rekordhohe globale Verschuldung, die alternde Weltbevölkerung und die Globalisierung. Die COVID-19-Pandemie hat die globale Verschuldung auf ein seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehenes Niveau ansteigen lassen. Allein im zurückliegenden Jahr ist der globale Schuldenberg um 40 Billionen US-Dollar auf 280 Billionen US-Dollar angewachsen. Das ist mehr als das Dreifache der weltweiten Wirtschaftsleistung (BIP). Und die Erfahrung der Vergangenheit zeigt: Wenn die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP 50 bis 60 Prozent erreicht, wirkt sich dies nachteilig auf das Wachstum aus und sorgt für Gegenwind für den Inflationsdruck. Die Auswirkungen der Globalisierung tragen ebenfalls zur Verringerung der Inflation bei, da das Lohnwachstum durch die Verlagerung der Produktion in ärmere Länder gedeckelt wird. Gleichzeitig hat der technologische Fortschritt die Warenherstellung billiger gemacht und damit die Preise niedrig gehalten.

Chinas Wachstumsschwäche dämpft das globale Wachstum

Natürlich ist die Inflation nur ein Faktor in der Stagflationsgleichung – der andere ist das globale Wachstum. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass das weltweite Wachstum seinen Höhepunkt erreicht hat. So hat die chinesische Wirtschaft zuletzt an Dynamik verloren. Durch die wiederholten COVID-19-Ausbrüche und die Auswirkungen der Evergrande-Krise ist auch die chinesische Industrieproduktion hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Der Blick auf die Märkte zeigt, dass der Anleihenmarkt die Inflation ebenfalls für ein vorübergehendes Phänomen hält: Am kurzen Ende (5-jährige TIPS) liegen die Breakeven-Raten bei gerade einmal 2,3 Prozent. Dieser Wert könnte sinken, wenn der Inflationsdruck weiter nachlässt, und für einen weiteren Rückgang der Renditen in den USA sorgt. Daher sieht das künftige wirtschaftliche Umfeld für Anleiheinvestoren günstig aus. Auf der Suche nach regelmäßigen Erträgen fließt aktuell viel Geld in Unternehmensanleihen, und die Unternehmen sind dank großzügiger staatlicher Unterstützung in den westlichen Staaten im Vergleich zu ihren Konkurrenten in den Schwellenmärkten ziemlich gut aufgestellt. Das stimmt mich zuversichtlich, dass die Ausfallraten noch einige Zeit sehr niedrig bleiben werden. Dadurch könnten sich im High-Yield-Segment ausgewählte Einstiegsmöglichkeiten eröffnen. Mit der beginnenden Rückführung der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken dürfte die Volatilität an den Märkten zunehmen. Die längerfristigen strukturellen Kräfte sollten jedoch dazu führen, dass der Inflationsdruck nachlässt, wenn sich die wirtschaftliche Lage wieder normalisiert.

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